Und was macht es so besonders?
Was für ein sperriger Begriff
…aber prinzipiell nur ein sogenanntes Kofferwort aus den Begriffen “Federation” und “Universe”. Auf Deutsch bedeutet Fediverse also so viel wie föderiertes Universum.
Es ist weder ein Dienst, bei dem du dich anmelden kannst, noch ist es ein spezieller Teil des Internets, für den du eine besondere Software oder Krypto-App auf deinem Smartphone benötigst. Vielmehr ist es ein Sammelbegriff für diverse Dienste. Du kannst es mit dem Begriff “Extremsportart” vergleichen. Extremsportart ist auch nur ein Überbegriff für spezifische Sportarten wie Skateboarding, BMX oder Freestyle Motocross.
Per Definition beschreibt das Fediverse ein Netzwerk von diversen nicht-kommerziellen Diensten, die föderiert – also dezentral – betrieben werden (siehe unten). Bei diesen Diensten handelt es sich hauptsächlich um Social Media Angebote, aber nicht nur.
Zudem nutzen fast alle diese Dienste dasselbe Protokoll (siehe unten) sowie offene Standards (siehe unten).
Was es bietet
Die Rede ist häufig von “Distributed Social Media” oder auch “Alternative Plattformen sozialer Medien”. Was für super-moderne Begriffe! Jedenfalls fällt immer wieder der Begriff “Social Media”, aber das Fediverse beheimatet auch Musik-, Video- und Filesharing-Dienste. Eine nette grafische Übersicht gibt es auf fediverse.party; die momentan angesagtesten davon sind:
Plattform bzw. Dienst: | Alternative zu: |
Pixelfed | |
Friendica oder Diaspora | |
Mastodon oder Pleroma | |
PeerTube | YouTube |
Lemmy | |
Funkwhale | Soundcloud |
Mobilizon | Facebook Events & Gruppen |
Owncast | Twitch |
WriteFreely | kommerzielle Blogging-Anbieter |
Aber auch dieser Blog ist in gewisser Weise Teil des Fediverse, da du mir als Autor (also meinem Nutzernamen @el_fredo@elfredo.net
) beispielsweise auf Mastodon folgen kannst und so keinen meiner Beiträge mehr verpasst:
Der Begriff Fediverse ist meiner Meinung nach also recht weit gefasst und doch nicht so exakt definiert, von dem her – in Bezug auf diese Beitragsreihe – sage ich jetzt mal vereinfacht: “Es ist eine Alternative zu den großen Social Media Anbietern wie Facebook & Co.”, auch wenn es in Wahrheit viel mehr ist als das.
Was eine Plattform, der Teil des Fediverse ist, ausmacht, darauf gehe ich im Folgenden ein. Und damit wird auch klar, was das Ganze so besonders und interessant macht.
Föderiert, also dezentral
Du kennst und nutzt vermutlich schon seit Jahren E-Mail, einen der ältesten Dienste im Internet. Es gibt nicht den einen E-Mail-Server auf der Welt, der von einem Unternehmen betrieben wird. Stattdessen gibt es unzählige E-Mail-Anbietern, deren Server auch noch auf der ganzen Welt verteilt sind. Wenn du möchtest, könntest du sogar deinen eigenen E-Mail-Server betreiben. Das Tolle ist nun, dass alle diese Server untereinander kommunizieren können, da sie dasselbe Protokoll verwenden – quasi dieselbe Sprache sprechen. Aufgrund dieses dezentralen Aufbaus kann auch kein dominantes Unternehmen den Dienst “E-Mail” abschalten, er gehört niemandem. Selbst wenn mich mein E-Mail-Anbieter rausschmeißt oder er pleite geht, kann ich mich einfach bei einem neuen Anbieter anmelden und sofort wieder per Mail kommunizieren.
Jeder Dienst im Fediverse basiert auch auf diesem föderierten, dezentralen Prinzip: Mehrere Server, sogenannte Instanzen, die untereinander kommunizieren. Auch hier können alle, die möchten, eigene Instanzen aufsetzen, die dann Teil des gesamten Fediverse werden. Diese Instanzen werden meist von gemeinnützigen Vereinen, Non-Profit-Organisationen oder Privatpersonen betrieben.
Als Beispiel nenne ich jetzt mal die Instagram-Alternative “Pixelfed”. Es gibt nicht den einen Pixelfed-Server, bei dem ich mich anmelden muss. Stattdessen gibt es tausende Pixelfed-Server (also Instanzen) weltweit und ich kann mir den aussuchen, der mir am ehesten zusagt. Und egal auf welchem ich mich letztendlich anmelde, ich kann trotzdem mit allen anderen Pixelfed-Nutzern und -Nutzerinnen kommunizieren, ihre Fotos liken, ihnen folgen etc., da alle diese Server miteinander verbunden sind.
Hinweis: Es gibt auch de-föderierte Server. Ich könnte beispielsweise einen eigenen privaten Pixelfed-Server aufsetzen, den nur ich und mein Freundeskreis nutzen können, ohne Verbindung zu den anderen Instanzen. Daher weiß niemand genau, wie viele Instanzen es im Fediverse tatsächlich gibt. Auch können die vielen weltweiten Server-BetreiberInnen im Fediverse einen einzelnen Server ausschließen – z. B. wenn in eben dieser Instanz Hass & Hetze verbreitet werden.
Als NutzerIn habe ich sogar die Möglichkeit, die Instanz zu wechseln, jederzeit! Ich kann quasi mit all meinen Daten “umziehen”. Dies kann sinnvoll sein, wenn ich auf einem Server unerwünscht bin, mir dieser zu langsam wird, oder er seine Pforten dicht macht.
Das ActivityPub Protokoll
Das Internet basiert auf zahlreichen Protokollen. HTTP beispielsweise, welches für das World Wide Web, also die Darstellung von Websites, entwickelt wurde. Oder FTP, zur Übertragung großer Datenmengen. Oder IMAP für das bereits erwähnte E-Mail-System.
ActivityPub ist ein weiteres Protokoll des Internets. Genauer gesagt, ein Netzwerk-Protokoll, welches dezentrales Social Networking ermöglicht. Wie bereits erwähnt, beschränkt sich das Fediverse aber nicht nur auf Social Media, doch genau hier spielt es alle seine Vorteile aus.
Um das Prinzip dieses Protokolls zu erklären, verwende ich wieder den Vergleich mit E-Mail: Jede Person, die eine E-Mail-Adresse besitzt, kann einer anderen Person eine E-Mail schreiben, egal bei welchem Anbieter beide sind. Der eine ist bei @t-online.de registriert, die andere bei @web.de. Du merkst, worauf ich hinaus will? Um jemanden eine E-Mail schreiben zu können, musst du lediglich seine oder ihre E-Mail-Adresse kennen, ohne beim selben Anbieter registriert sein zu müssen.
Facebook, Twitter & Co. funktionieren eben nicht nach diesem Prinzip. Mit deinem Twitter-Account kannst du nicht meine Instagram Fotos liken. Mit deinem Facebook Account kannst du nicht meine YouTube Videos kommentieren. Mit deinem Spotify-Account kannst du mir nicht auf LinkedIn schreiben. Im Fediverse allerdings ist dies, dank ActivityPub, eben schon möglich. Es verknüpft quasi diverse (Social Media) Dienste miteinander. Du legst dir ein Benutzerkonto bei einem beliebigen Dienst im Fediverse an und kannst dich mit anderen Fediverse-NutzerInnen austauschen, auch wenn diese bei einer völlig anderen Plattform angemeldet sind.
Hinweis: Gegebenenfalls werden auch Dienste, die zwar föderiert sind, aber nicht das ActivityPub Protokoll nutzen, zum Fediverse gezählt. Siehe Diaspora, eine Alternative zu Facebook. Diese Plattform läuft zwar dezentral, also föderiert, nutzt aber ein eigenes Protokoll. Zukünftig wird im Fediverse aber kein Weg am ActivityPub-Protokoll vorbei führen.
Um ein konkretes Beispiel zu nennen, beziehe ich mich noch einmal auf die Instagram-Alternative Pixelfed. Unter meinem Nutzernamen @el_fredo poste ich dort Fotos. Du selber bist nicht auf irgendeiner Pixelfed-Instanz angemeldet, nutzt aber Mastodon als Twitter-Alternative. Im Mastodon-Suchfeld gibst du nun meinen Pixelfed-Nutzernamen ein, folgst diesem und siehst ab sofort jedes Foto, welches ich auf Pixelfed poste – und zwar in deiner Mastodon-Timeline!
Open Source
Wie bereits im ersten Teil dieser Beitragsreihe erwähnt: Die Dienste im Fediverse nutzen “Open Source” Software. Was ist das jetzt genau und wo liegt der Unterschied zu “Closed Source”? Bei einem Open-Source-Projekt arbeitet eine Gemeinschaft von begabten ProgrammiererInnen – meist freiwillig und unentgeltlich – gemeinsam am Quelltext, also dem Programm-Code. Dieser wird daher als quelloffen bezeichnet und kann von jedem eingesehen und auf Fehler geprüft bzw. optimiert werden (“Mehraugenprinzip”). Sicherheitslücken oder unerwünschte Mechanismen werden durch diese Praxis schnell gefunden, geschlossen oder beseitigt, im Idealfall schon dann, bevor diese von böswilligen HackerInnen ausgenutzt werden können.
Wie im Abschnitt weiter oben bereits erwähnt, kannst du, wenn du möchtest, eine eigene Instanz im Fediverse starten. Das kann beispielsweise ein kleiner Pixelfed-Server sein. Möglich ist dies, da Open-Source-Software beliebig kopiert, verbreitet und genutzt werden darf, ohne dass Gebühren an einen Lizenzgeber anfallen. Das Fediverse ist also komplett unabhängig von einer einzigen “Herstellerfirma”.
RSS-Feed
Eine Besonderheit, die alle mir bekannten Fediverse-Plattformen bieten, ist die Möglichkeit, Feeds (z. B. die Social Media Timeline) eines Nutzers oder einer Nutzerin per RSS zu abonnieren.
Dieses Thema ist so spannend, aber auch komplex, dass ich ihm später einen separaten Beitrag widmen werde.
Kurz: Bei RSS handelt sich um eine Art Dateiformat, mit dem Websites abonniert werden können. Das geschieht auf Nutzerseite mithilfe einer Software, die Feedreader genannt wird. Änderungen auf einer abonnierten Website – beispielsweise ein neuer Blog-Beitrag oder ein neues Foto– werden dann im Feedreader der Abonnenten und Abonnentinnen angezeigt. Im Fediverse ist diese Technik gang und gäbe.
Auch meinen Blog kannst du per RSS abonnieren. Der Feed-Link, den du zu deinem Feedreader hinzufügen musst, lautet https://elfredo.net/feed
. Sobald ich einen neuen Post absetze, wirst du von deinem Feedreader benachrichtigt. Genial? Genial! Mithilfe von RSS können dir somit auch Personen folgen, die selber keinen Account bei irgendeiner Fediverse-Plattform haben. Aber dazu werde ich wie gesagt in einem späteren Beitrag genauer eingehen.
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